Ab jetzt ist jeden Tag Erderschöpfungstag

Der ökologische Fußabdruck der Menschheit im Jahr 2019. Von Tina Gotthardt und Benjamin Hennig

5 Minuten
Eine Karte des ökologischen Fußabdrucks der Menschheit im Jahr 2019

AnthropoScene – journalistische Expeditionen in unsere neue Erdepoche

Die Nachfrage nach Ressourcen unseres Planeten übersteigt längst das, was die Ökosysteme der Erde zu erneuern vermögen. Berechnungen des Global Footprint Networks gehen davon aus, dass die Menschheit die Grenze eines nachhaltigen Daseins im Jahre 1970 überschritten hat. Im Jahr 2019 wurde der Tag, ab dem wir bei der Natur ‚auf Pump‘ leben, am 29. Juli erreicht. Das Global Footprint Network nennt diesen Tag den ‚Erdüberlastungstag‘ (Earth Overshoot Day). Dieser symbolische Aktionstag markiert den Zeitpunkt, ab dem die Menschheit für den Rest des Jahres über ihre Verhältnisse lebt und so seit 1970 Jahr für Jahr die Umwelt schrittweise ihrer Ressourcen beraubt, ohne dass diese nachhaltig regeneriert werden können.

Das Maß, das das Global Footprint Network zur Berechnung dieses Datums verwendet, ist der sogenannte ökologische Fußabdruck. Dieser berechnet die produktive Fläche der Umwelt, die benötigt wird, um den Lebensstandard der Menschheit (oder der Bevölkerung eines Landes oder eines Individuums) langfristig aufrechtzuerhalten. Dies beinhaltet die Fläche, die benötigt wird, um erneuerbare Ressourcen bereitzustellen, wie zum Beispiel

  • Fläche zur Nahrungsmittel- oder Holzproduktion
  • Fläche, die von Infrastruktur eingenommen wird
  • Flächen, die zur Entsorgung von Müll und anderen Abfallprodukten menschlichen Handelns, wie der Kompensation von CO2-Emissionen, benötigt werden.

Bei der Berechnung des ökologischen Fußabdrucks werden zudem wirtschaftliche Vernetzungen berücksichtigt, sodass die negativen Auswirkungen der Produktion von Gütern dort angelastet werden, wo der Konsum oder Verbrauch dieser Produkte stattfindet.

Komplexes Geschehen in einer Maßzahl – kann das gutgehen?

Der ökologische Fußabdruck eines Menschen, eines Landes, oder der Erde, kann dann in Bezug zur Biokapazität gesetzt werden. Dieser Vergleich zeigt, in welchem Maße die verfügbare Umweltkapazität der Erde das menschliche Handeln langfristig tragen kann. Ausgedrückt wird der ökologische Fußabdruck in globalen Hektar (gha) pro Person, die einen Hektar Land mit durchschnittlicher Bioproduktivität darstellen.

Das Global Footprint Network schätzt in seinem aktuellen Bericht, dass, wenn man die aktuelle Weltbevölkerung, die Bioproduktivität und die verfügbaren Ressourcen berücksichtigt, jeder Mensch derzeit 1,6 globale Hektar für ein Leben auf einem nachhaltig bewirtschafteten Planeten nutzen kann. In Wirklichkeit nutzt die Menschheit jedoch deutlich mehr als diese Kapazitäten. Beim derzeitigen Lebensstil bräuchten wir mehr als 1,75 erdähnliche Planeten, um diesen Lebensstandard langfristig zu erhalten.

Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks ist nicht ohne Schwächen. Der Versuch, ein vielschichtiges Geschehen auf eine einzige Maßzahl zu reduzieren, kann die gesamte Komplexität des Ressourcenverbrauchs und der Belastung der Erde nie vollständig erfassen, auch weil zahlreiche Indikatoren unweigerlich ausgelassen werden, um eine Datenerfassung auf globaler Ebene überhaupt zu ermöglichen. Die Qualität von Daten variiert stark zwischen verschiedenen Ländern, auch das kann sich problematisch gestalten. Dennoch bietet das Konzept einen gut darstellbaren und global vergleichbaren Ansatz, der so einen wichtigen Beitrag zur Debatte um einen nachhaltigen Lebenswandel und um die Tragfähigkeit der Erde leisten kann.

Der ökologische Fußabdruck der Erde im Jahr 2019
Der ökologische Fußabdruck der Erde im Jahr 2019
Bevölkerungskartogramm der Erde mit Darstellung des ökologischen Fußabdrucks
Die Menschheit und ihr ökologischer Fußabdruck