Abschreckende Visaverfahren, lange Wartezeiten und bürokratische Hürden

Selbst für begehrte Fachkräfte ist der Weg nach Deutschland extrem kompliziert

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
12 Minuten
Menschen stehen am Flughafen an einer Passkontrolle in der Schlange.  Im Vordergrund sind leere Schalter für eine automatische Grenzkontrolle zu sehen.

Youssef D.* ist eine dieser hochqualifizierten ausländischen Fachkräfte, die Deutschland dringend sucht – ein Mediziner, der vier Fremdsprachen spricht, hochmotiviert. Doch auf dem Weg nach Deutschland war er mehrfach kurz davor, hinzuschmeißen, so verworren war das Verfahren. Auch die Antworten der Bundesregierung auf zwei parlamentarische Anfragen der letzten Wochen zu Visavergabeverfahren vermitteln den Eindruck, dass Deutschland nach wie vor Mühe hat, sich als Einwanderungsland zu definieren.

„Im Vorstellungsgespräch haben sie nach meiner Familie gefragt. Mein jüngster Sohn war damals erst 17 Tage alt. Sie dachten, ich kann noch nicht so gut Deutsch und hätte Tage und Jahre verwechselt“, erzählt Youssef D. schmunzelnd. „Als ich dann auch noch erzählt habe, dass meine Frau ebenfalls Ärztin ist, meinten sie, ich solle sie auch gleich mitbringen.“ Inzwischen leben Youssef, seine Frau Salma* und die drei Kinder tatsächlich in Deutschland. Der Tunesier macht dort seine Facharztausbildung. Doch der Weg dahin war nicht so einfach, wie er es angesichts des Ärztemangels erwartet hat. Er erinnert eher an die berühmte Suche Asterix‘ nach Passierschein A38.

In Tunesien hatte der Mann, Anfang 40, zunächst als Allgemeinarzt, dann als Pharmavertreter gearbeitet. Nicht, weil ihn letzteres mehr interessierte, sondern weil er mehr verdiente, was seiner Frau damals erlaubt hatte, weiter zu studieren. Als die Kardiologin ihrerseits am renommiertesten Krankenhaus des Landes Karriere machte, kehrte er zur Medizin zurück. Doch die Arbeitsbedingungen und Gehälter im öffentlichen Gesundheitssystem sind in Tunesien alles andere als verlockend. Nachdem er immer wieder vom Ärztemangel in Deutschland gehört und bereits aus Interesse angefangen hatte, die Sprache zu lernen, entschied er sich im Herbst 2017, den Schritt zu wagen und in Deutschland seine Facharztausbildung zu machen.

Stellenangebot beim ersten Vorstellungsgespräch

Die Stellensuche hätte eigentlich nicht viel einfacher sein können. Youssef D. bekam im Januar 2018 eine Zusage in der Chirurgie an einem Krankenhaus in Paderborn*. Es war sein erstes Vorstellungsgespräch gewesen und er sagte sofort zu. Von Seiten des Arbeitgebers aus, hätte er eigentlich gleich anfangen können. Doch der Weg zur neuen Stelle war deutlich aufwändiger, länger als gedacht und oft frustrierend. Mehrmals war Youssef D. kurz davor, alles hinzuschmeißen – dabei dachte er, von der verfilzten tunesischen Verwaltung abgehärtet zu sein.

Er hatte damals das Glück, ein bisschen Geld beiseitegelegt und ein Touristenvisum zu haben. Dadurch konnte er zum Vorstellungsgespräch, für eine sechs-wöchige Hospitation und die obligatorische Fachsprachprüfung jeweils nach Deutschland fliegen. „Das war ein großer Vorteil. Andere ausländische Kollegen hatten selbst als Ärzte große Mühe, überhaupt ein Visum zu bekommen“, berichte er.

Wartezeiten, Fehlinformationen, Bürokratie

Trotz der Stellenzusage im Januar brauchte Youssef letztendlich fast ein Jahr, bis er anfangen konnte, zu arbeiten. Der Grund: lange Wartezeiten, mangelnde oder falsche Informationen und – trotz der eigentlich privilegierten Position als Fachkraft in einem Mangelberuf – eine komplizierte Bürokratie.