Wahlkampf in Tansania: Ein Autokrat bewirbt sich um Wiederwahl, seine Kritiker leben gefährlich

John Magufuli erwarb sich zunächst den Ruf eines Hoffnungsträger, nachdem er 2015 Präsident wurde. Erst mischte sich Skepsis in die Begeisterung, später Angst.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
39 Minuten
Das Foto zeigt viele Hochhäuser, die modern wirken.

Das ostafrikanische Tansania war vor der Corona-Krise ein beliebtes Reiseziel der Deutschen. Bernhard Grzimeks Kinodokumentation „Die Serengeti darf nicht sterben“ hat das Land mit seinen Wildtieren und Nationalparks bekannt gemacht. Politisch gilt es als stabile und friedliche Demokratie. Bis 2015 war das weitgehend richtig, aber seit Präsident John Magufuli vor fünf Jahren an die Macht kam, haben sich die Verhältnisse geändert. Nun bewirbt sich der Autokrat um die Wiederwahl.

Die Kreuzung Msasani Macho im Zentrum der tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier arbeiten viele, die keinen offiziellen Job haben und statt dessen jeden Tag aufs Neue versuchen, genug zum Überleben zu verdienen. Sie verkaufen die Telefonkarten der Mobilfunkanbieter und Gesprächseinheiten, Wasser, Limonade und Cola, Obst oder einfache Gerichte, die sie am Morgen kochen. Nach amtlichen Schätzungen wird mehr als die Hälfte des Volkseinkommens im so genannten informellen Sektor erwirtschaftet. Auch Asunta Valentino Hosa ist täglich in den Straßen von Dar es Salaam unterwegs, die 48-Jährige bietet als fliegende Händlerin Bananen und Orangen an. „Das Leben ist in den letzten fünf Jahren viel schwerer geworden“, sagt sie. Häufig habe sie am Abend gerade mal 5000 tansanische Shilling verdient, gut zwei Dollar – viel zu wenig für sie und ihre fünf Kinder. „Die Leute können sich Obst nicht mehr leisten“, meint sie.

An einer Straße in der tansanischen Metropole Dar es Salaam warten viele Menschen an einer Bushaltestelle. Daneben haben Händlerinnen und Händler ihre Waren aufgebaut, darunter Limoflaschen, Tücher, Eimer mit Fettgebackenem.
An der Kreuzung Msasani in Dar es Salaam

Über den tansanischen Präsidenten John Magufuli, der seit fünf Jahren an der Macht ist, will sie trotzdem nichts Schlechtes sagen. Vielleicht ist sie wirklich von ihm überzeugt, vielleicht hält sie mit ihrer Meinung lieber hinter dem Berg. Jedenfalls ist Magufuli allgegenwärtig, vor allem jetzt in der Vorwahlzeit: Am 28. Oktober werden in Tansania Präsident und Parlament gewählt. Magufulis lächelndes Gesicht schaut von großen Wahlplakaten auf die Bevölkerung herab, die in ihrer Freiheit stark beschnittenen Medien berichten minutiös über jede seiner Aktionen. Weniger sichtbar sind die Kandidaten der Opposition: Sender und Zeitungen bleiben ihnen möglichst fern, aus Angst vor den massiven Repressionen des Staates.

Eine Partei stellt seit Jahrzehnten alle Präsidenten

Magufuli übernahm das höchste Staatsamt vor fünf Jahren nach einer demokratischen Wahl. Als Kandidat der langjährigen Regierungspartei „Chama Cha Mapinduzi („Partei der Revolution“) hatte und hat er ein leichtes Spiel, die CCM stellte seit der Unabhängigkeit 1961 alle fünf Präsidenten.

Magufulis wichtigster Gegenkandidat ist Tundu Lissu von der Oppositionspartei CHADEMA („Partei für Demokratie und Fortschritt“). Der 52-jährige Rechtsanwalt kehrte erst Ende Juli nach drei Jahren im Exil zurück, um an dem Wahlkampf teilzunehmen. Lissu weiß, womit er spielt: 2017 überlebte er nur knapp einen Mordversuch. Am 7. September 2017 wurde erwährend der Pause einer Parlamentssitzung angeschossen und von etlichen Kugeln schwer verletzt. Lissu wurde erst auf einer Intensivstation in Tansania behandelt, dann in die kenianische Hauptstadt Nairobi gebracht und schließlich nach Belgien geflogen. Bis jetzt wurde er rund 20 Mal operiert, aber noch immer ist er gesundheitlich nicht ganz wieder hergestellt. Trotzdem erklärte er seinen Anhängern kurz nach der Landung in seiner Heimat, es gehe ihm gut, er werde den Wahlkampf meistern. Der Mordanschlag von 2017 ist bis heute nicht aufgeklärt, die Polizei stellte die Ermittlungen ein.

Das Foto zeigt eine Frau, die ihre Kuh mit der Hand melkt
Viele Massai leben weiterhin vor allem von ihrem Vieh