Restitution – und dann?

Afrikanische Museen im Aufbruch

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
8 Minuten
Koloniales Exponat, ein nachgefertigter Kopf eines Namibiers im Owela Museum, Windhoek

„Das afrikanische Erbe darf kein Gefangener europäischer Museen sein.“ Mit diesen Worten hat der französische Präsident Emmanuel Macron vor fast einem Jahr die Debatte über die Restitution kolonialer Raubkunst angeheizt. Nicht nur in Europa, sondern auch in den früheren Kolonien. Bei den ‚Museumsgesprächen‘, zu denen das Goethe-Institut Kuratorïnnen und Wissenschaftlerïnnen aus ganz Afrika in die namibische Hauptstadt Windhoek eingeladen hatte, wurde selbstkritisch über zentrale Fragen der Restitution diskutiert: über den Umgang mit Kulturgütern, die in ihre Heimat zurückkehren, den Zustand und die Zukunft der eigenen Museen, die oft ebenfalls aus der Kolonialzeit stammen.

Wo die Familienbibel und die Peitsche Hendrik Witboois momentan seien? Nzila Marina Mubusisi, Chefkuratorin des Nationalmuseums in Namibia, schaut etwas irritiert. Mit einer feierlichen Zeremonie waren die Besitztümer des Nama-Anführers im Februar in ihrer Heimat in Empfang genommen worden. Über ein Jahrhundert nachdem die deutschen Truppen sie erbeutet und verschleppt hatten. „Die Bibel ist im Nationalarchiv und die Peitsche im Nationalen Museum“, antwortet Mububisi knapp. Nur übergangsweise, denn mittelfristig sollen sie das Herz der Sammlung eines neuen Museums in Gibeon bilden, dem Wohnort der Witboois. „Öffentlich ausgestellt werden sie derzeit nicht“, fügt Mubusisi fast entschuldigend hinzu. „Man kann aber einen Antrag stellen, um sie sich anzusehen.“ Wie viele solcher Anfragen es gegeben habe? Nur wenige. Von einer Handvoll Journalisten. Von ganz normalen Bürgerïnnen auch? Wortloses Kopfschütteln. Diese kurze Unterhaltung spricht Bände.

Nzila Marina Mubusisi bei ihrem Vortrag im Rahmen der Museumsgespräche
Nzila Marina Mubusisi bei den Museumsgesprächen

Restitution und Repatriierung sind in vielen afrikanischen Ländern Themen für Museumsdirektoren, Kuratoren und Wissenschaftler, die Rückgabe-Forderungen oft politisch geprägt. Die Bevölkerung, deren historisches Kulturgut geraubt wurde und damit ein Teil ihrer kulturellen Identität, bleibt oft außen vor. Noch. Denn nach dem Willen afrikanischer Museumsmacher soll sich das ändern. „Wir müssen darüber nachdenken, wie die restituierten Objekte wieder eine Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext der Communities gewinnen können, aus denen sie ursprünglich stammen“, betont die angolanische Kuratorin Suzana Sousa. Beide Seiten, sowohl diese Communities als auch das Narrativ der Objekte, hätten sich in den vergangen Jahrzehnten verändert.

„Die Beziehung ist von Verlust geprägt“

Es sei eine Sache, glücklich über ihre Rückkehr zu sein, aber eine andere die wechselseitige Beziehung zu den Communities zu hinterfragen. Die Uhr lasse sich nicht zurückdrehen, die ursprüngliche Rolle dieser kulturellen, rituellen und spirituellen Objekte nicht einfach wiederbeleben. „Die Beziehung ist jetzt von Verlust geprägt, in den meisten Fällen auch von Gewalt und Entweihung. Das Verhältnis hat sich deshalb grundlegend gewandelt.“ Ein Beispiel sind die Masken der Chokwe, die während des Bürgerkrieges in Angola aus dem Dundo Museum im Süden des Landes gestohlen wurden und dann auf dem Kunstmarkt auftauchten. Die Sindika Dokolo Stiftung hat dafür gesorgt, dass einige dieser Masken in den letzten Jahren zurückkehren konnten. Nun sind sie zurück im Museum, aber ein Besucheransturm bleibe aus, erzählt Sousa.

Portraetfoto von Suzana Sousa bei den Museumsgesprächen
Suzana Sousa bei den Museumsgesprächen

Kein Wunder, denn das Museum ist nicht mit Blick auf die einheimische Bevölkerung entstanden. Es ist ein Relikt der Kolonialzeit. „Es war ein Werkzeug, um Informationen über den Alltag und die Bräuche der Chokwe zu erlangen. Zielgruppe waren die europäischen Siedler und Forscher, nicht aber die Community selbst.“ Viele Museen auf dem afrikanischen Kontinent waren ein Spiegelbild des rassistisch-kolonialen Weltbilds.

Museen müssen dekolonisiert werden

Von dieser Vergangenheit müssen sie sich nun lösen, einen Prozess tiefgreifender Dekolonisierung beginnen, eine Beziehung zu den einheimischen Bevölkerungsgruppen aufbauen, mit ihnen statt nur über sie sprechen, wenn sie eine gesellschaftlich relevante Rolle spielen und Publikum anziehen wollen. Das war Konsens bei den panafrikanischen ‚Museumsgesprächen‘ in Windhoek. Selbstkritisch und sehr offen wurde darüber diskutiert, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

George Abungu hält bei den Museumsgesprächen einen Vortrag
George Abungu bei den Museumsgesprächen
Wandile Kasibe steht bei den Museumsgesprächen am Rednerpult
Wandile Kasibe bei den Museumsgesprächen
Nelson Abiti bei einer Diskussion der Museumsgespräche im Publikum
Nelson Abiti bei den Museumsgesprächen
eine Gruppe von Menschen steht in einem Raum [AI]
Workshop bei den Museumsgesprächen in Windhoek