Kooperation statt Konflikt

Kenianische Umweltaktivisten wollen die Bevölkerung am Naturreichtum teilhaben lassen

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
7 Minuten
Einige junge Männer aus dem Hirtenvolk der Pokot in Laikipia haben neuerdings ihre Begeisterung für Yoga und Akrobatik entdeckt.

Begleitet vom Zwitschern der Vögel in der Savanne, sagt der junge Kenianer Dickson Katei die nächsten Yogapositionen an: „Heraufschauender Hund. Herabschauender Hund. Vorbeuge…“ Drei junge Männer folgen ihm konzentriert und ohne Blick für die Reize der Landschaft, in der sie trainieren: dem weiten, derzeit grünen Buschland von Laikipia, einer Region im Zentrum Kenias. Alle vier sind Akrobaten, wärmen sich mit den Yogaübungen auf. Dickson und die drei anderen jungen Männer gehören zum halbnomadischen Hirtenvolk der Pokot. Den „Sonnengruß“ und andere Yoga-Übungen zu praktizieren, ist unter ihren Altersgenossen ausgesprochen unüblich.

Die nicht ganz naheliegende Idee, junge Hirten von der Faszination der Akrobatik zu überzeugen, hatte Sveva Gallmann. „Das Projekt ist eine wunderbare Möglichkeit, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen etwas anzubieten, womit sie sich hervortun können“, sagt die 38-Jährige Naturschützerin. Etwas anderes, als den Umgang mit der Waffe, das erfolgreiche Wildern geschützter Tiere oder bewaffnete Raubüberfälle auf das Vieh anderer Menschen. Denn viele junge Pokot sind tage- oder wochenlang mit Rinderherden in der Savanne unterwegs, etliche von ihnen mit Kalaschnikows bewaffnet. Nicht wenige benutzen ihre Waffen, um anderen Hirten oder Bauern deren Vieh abzujagen. „Durch die Akrobatik habe ich sehr viel gelernt“, sagt Dickson. „Früher habe ich mich beispielsweise unter Menschen nicht wohl gefühlt. Dank unserer regelmäßigen Vorführungen habe ich mich daran gewöhnt.“ Der 26-Jährige geht sogar noch weiter: „Die Akrobatik hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin.“

Vier Elefanten laufen über sandigen Boden.
In Laikipia im Zentrum Kenias ist der Reichtum an Wildtieren groß.

Reichtum der Natur

Die Familie Gallmann betreibt in im Zentrum Kenias ein privates Naturschutzgebiet, das „Laikipia Nature Conservancy“, LNC. Es erstreckt sich auf den rund 400 Quadratkilometern, die Kuki Gallmann Anfang der 1970er Jahre mit ihrem Mann Paolo Gallmann als Ranch erwarb. Nach dessen frühen Tod 1980 verwandelte die Naturschutzaktivistin und Autorin des Bestsellers „Ich träumte von Afrika“ den Familienbesitz in ein privates Schutzgebiet. Es erstreckt sich über mehrere Höhenstufen und Ökosysteme und ist deshalb reich an Tier- und Pflanzenarten. Allein 500 Vogelarten leben hier, Wildhunde, Geparden, Giraffen, Elefanten und Löwen. Der reiche Wildbestand und das hohe Gras im LNC wecken die Begehrlichkeiten der Bevölkerung seit Jahren. „Bei jeder Dürre drangen viele Hirten mit großen Herden ins Schutzgebiet ein“, erzählt die 76-Jährige Kuki schon aus den ersten Jahren des LNC. Sie habe sich von Anfang an darum bemüht, die Bedürfnisse der Menschen rund um ihr Land zu erkennen und sie möglichst zu unterstützen. Dazu habe Bildung gehört, Lebensmittelhilfe während Dürrezeiten, Aufforstungsmaßnahmen oder das Schaffen von Arbeitsplätzen.

Ein Hirte zieht mit einer Rinderherde über völlig vertrocknetes Land. Die Tiere sind von einer Staubwolke umhüllt.
Nach langen Dürreperioden wirbeln die Hirten mit ihren Rinderherden nur noch Staub auf.
Die Umweltaktivistin Seveva Gallmann auf auf dem „Laikipia Nature Conservancy“ ihrer Familie. Hinter ihr erstreckt sich die Weite des kenianischen Naturschutzgebietes, das sich über fast 400 Quadratkilometern erstreckt.
Sveva Gallmann im „Laikipia Nature Conservancy“ ihrer Familie.
Frauen aus dem Hirtenvolk der Pokot beim Sortieren von Öko-Holzkohle.
Frauen aus dem Hirtenvolk der Pokot beim Sortieren von Öko-Holzkohle im „Laikipia Nature Conservancy“.