„Gesundheit sollte die höchste Priorität haben“: Akhona Tshangela vom Africa CDC

Afrikanischen Wissenschaftlerïnnen arbeiten mit Hochdruck an medizinischen Lösungen für die Bekämpfung der Corona-Pandemie.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
5 Minuten
Ein Mann erhält Impfung.

Weltweit forschen Wissenschaftler unter Hochdruck an einem wirksamen Impfstoff gegen das neuartige Corona-Virus, und an Medikamenten für die Behandlung. Afrikanische Wissenschaftler spielen dabei eine wichtige Rolle. Akhona Tshangela vom „Afrikanischen Zentrum für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen“ (Africa CDC) spricht über das, was die Forschung in Afrika braucht, und welche Chancen sie in der Corona-Krise sieht. Die Epidemiologin leitet das Programm zur Kontrolle der Sterblichkeitsrate in Afrika.

Akhona Tshangela vom Afica CDC
Akhona Tshangela vom Afica CDC

Funktioniert der pan-afrikanische Wissensaustausch, oder verläuft die Hauptrichtung immer noch von Nord nach Süd?

AT: Es ist interessant, dass Sie danach fragen. Das Africa CDC hat gerade erst das „Kofi Annan Führungsprogramm“ gestartet. Dessen Kernziel ist es, den Wissensaustausch zwischen den Regionen des Kontinents zu stärken. Dazu gehört, jüngeren Wissenschaftlern Mentoren an die Seite zu stellen, um so den Nachwuchs im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu fördern. Wir wollen sicherstellen, dass es auf dem Kontinent einen konstanten Informationsaustausch gibt, auch der politischen Entscheidungsträger.

Was sind die Forschungsschwerpunkte aus afrikanischer Perspektive? Unterscheiden sie sich von den Fragestellungen im Westen oder internationaler Institutionen?

AT: Sprechen Sie von der Forschung zu Covid-19, oder allgemein?

Sowohl als auch.

Angepasste Forschungsfragen nötig

AT: Die Forschung an sich ist natürlich ähnlich wie im Westen, aber die Fragen müssen an den afrikanischen Kontext angepasst werden. Ich glaube, wir müssen beispielsweise in Rechnung stellen, dass die Bevölkerungsstruktur in Afrika anders ist, als in anderen Kontinenten oder Ländern. Anpassen müssen wir auch die Art und Weise, in der wir die Forschung vorantreiben. In Bezug auf Covid-19 müssen wir zum Beispiel überlegen, wie die Wissenschaftler im afrikanischen Kontext ihre eigenen Testreihen mit Impfstoffen durchführen können. Nur dadurch können sie deren Wirksamkeit einschätzen und außerdem sicherstellen, dass auch die afrikanischen Länder in Zukunft geschützt werden. Wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit afrikanischer Wissenschaftler. Kein Forscher und kein Staat ist eine Insel. Als Africa CDC setzen uns immer dafür ein, dass auf dem Kontinent gemeinsam geforscht wird.

Labortechnikerinnen bei der gemeinsamen Arbeit. Sie sitzen rund um einen Tisch, tauschen sich offensichtlich aus.
Labortechnikerinnen bei der gemeinsamen Arbeit.

Eine Frage, die jenseits von Covid-19 womöglich wichtig ist, sind die seltenen oder vernachlässigten Krankheiten. Dazu wird wenig geforscht, nicht zuletzt, weil sie die westliche Bevölkerung kaum betreffen. Gehört es zu Ihren Schwerpunkten, die Forschung dazu zu fördern?

AT: Auf jeden Fall. Wir müssen in Afrika Netzwerke bilden oder Abkommen zur Zusammenarbeit schließen, damit zu diesen vernachlässigten Krankheiten mehr geforscht wird. Gleichzeitig müssen wir unsere internationalen Partner bitten, diese Art der Forschung zu unterstützen. Nur so werden wir ein vollständiges Bild der Krankheitslast in Afrika bekommen.

Bürokratie als Hemmschuh

Welche Rolle spielt die Bürokratie in afrikanischen Staaten? Nach meinem Eindruck behindert sie Forschung und Wissenschaft in Afrika häufig. Oder ist das ein Vorurteil?

AT: Nein. Wir arbeiten daran. Die AU ist eine politische Organisation mit den nötigen Ressourcen, um mit den politischen Führern des Kontinents reden zu können: den Präsidenten, Regierungschefs, Ministern. Wir können sie unterstützen und dabei in die richtige Richtung drängen, wenn es um medizinische Fragen geht. Meiner Ansicht nach hat Covid-19 gezeigt, dass afrikanische Staatschefs durchaus in der Lage sind, auf Bürokratie zu verzichten und beispielsweise auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten.

Das scheint mir eine ziemlich optimistische Einschätzung. Ich habe den Eindruck, dass in Bezug auf Covid-19 viele Universitäten und Wissenschaftler recht schnell waren, aber es trotzdem wenig konkrete Ergebnisse gibt, weil sie wegen der Bürokratie feststecken.

AT: Das ist ein wichtiger Punkt. Ich glaube, wir sollten unsere Mitgliedstaaten unterstützen, die mit der Bürokratie Schwierigkeiten haben. Ich habe im Moment keine Antwort darauf, wie das gehen kann, aber ich halte es für wichtig. Wir müssen sicherstellen, dass in Afrika die Forschung stattfindet, die wir brauchen, auch für die Bewältigung von Covid-19. Wir brauchen eine Forschung die es uns ermöglicht, Covid-19 epidemiologisch völlig zu verstehen, und auch zu begreifen, wie wir die Pandemie auf dem Kontinent wirksam bekämpfen können.

Was ist das größte Hindernis für Forschung und Wissenschaft in Afrika?

AT: Ehrlich gesagt glaube ich, dass es die Finanzierung ist. Wir haben talentierte Leute, wir haben die erforderlichen Kapazitäten. Erst letzte Woche haben wir über Finanzierungsengpässe bei der Forschung an einem Impfstoff und klinischen Tests gesprochen. Die erforderlichen Laboratorien stehen bereit, aber wir haben nicht genug Geld, um die nötige Forschung voranzubringen.

Könnte Covid-19 für Forschung und Wissenschaft auf dem Kontinent auch eine Chance sein?

AT: Ja. Es öffnet auf jeden Fall die Türen in Richtung Zusammenarbeit. Diese verheerende Pandemie treibt uns außerdem dahin, die Kapazitäten aufzubauen die wir brauchen, um bei der nächsten Pandemie schnell und effektiv reagieren zu können. Um das zu erreichen, sollte das Thema Gesundheit im politischen Raum auf jeden Fall mehr Bedeutung bekommen. Die Gesundheit sollte bei allen Entscheidungen die höchste Priorität haben.

Das Africa CDC soll die Mitgliedstaaten beim Aufbau der Kapazitäten und Fähigkeiten unterstützen die sie brauchen, um für die öffentliche Gesundheit Sorge tragen zu können. Ziel ist, dass sie auf Krisen in der öffentlichen Gesundheit angemessen reagieren können. Die Agentur der Afrikanischen Union finanziert sich aus unterschiedlichen Quellen: Über die Beiträge der Mitgliedsstaaten an die Afrikanische Union, über Spenden von Personen wie Bill und Melinda Gates, über Partner wie die Zentren für Krankheitskontrolle der USA, Chinas und Europas. Einige nicht-afrikanische Länder finanzieren es über die Afrikanische Union. Gegründet wurde das Africa CDC 2016. Auslöser war die Bedrohung durch HIV, Malaria und Tuberkulose.

Dieser Beitrag wurde aus Mitteln eines Recherchefonds der Wissenschaftspressekonferenz gefördert. Zum Thema „Die Nebenwirkungen von Covid-19 in Afrika“ werden hier in den kommenden Wochen weitere Beiträge erscheinen.

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