50 Begegnungen mit dem Virus

Die #50survivors erzählen, wie sie auf das Virus trafen, – und was andere daraus lernen können

6 Minuten
Symbolbild: Ein handgezeichnetes Netz aus Menschen

Alles beginnt in dem einen Moment, in dem das Virus den Weg zum Menschen findet. Zeit genug hat, den Körper zu befallen. Für manche zieht der Augenblick ganz unauffällig vorbei, sie nehmen ihn nicht bewusst wahr. Andere sind sich sehr sicher, diesen Moment zu kennen.

Im Projekt #50survivors begleiten wir über einige Wochen 50 Menschen, die Covid-19 überstanden haben. Mit Hilfe unserer Dialogsoftware haben wir sie zum Auftakt gefragt, ob sie sich an den Augenblick der Ansteckung erinnern können. Ob sie ahnen, wann sie auf das Virus trafen. Schon nach Sekunden kommen die ersten Antworten zurück, zum Beispiel:

In Ischgl // Lasse, aus Braunschweig
Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl, ich war Wahlhelfer und habe mit vielen (>1000) Leuten zwei Tage in der Alsterdorfer Sporthalle mit der Auszählung der Briefwahl verbracht. // Lino, aus Berlin
Okay… Ja ich weiß es. Ich habe mich bei einer Patientin die es hatte, aber noch keine Symptome aufwies, angesteckt. Ich bin in der Pflege tätig. // Ramona, aus Willstätt

Es wird deutlich: Viele der #50survivors wissen sehr genau, wo und wie sie sich angesteckt haben. Ihnen ist klar, wann ihr Leben diese Wende nahm. Wann sie von den Gesunden in der Pandemie zu den Infizierten wechselten. Kaum einer, den es nicht kümmert, wann alles begann.

Ich vermute, dass ich mich in der Straßenbahn angesteckt habe. Mein täglicher Arbeitsweg beläuft sich auf 14 Km – eine Tour. Zu Hause steige ich in den Bus ein. Um 6 Uhr morgens ist ein Mindestabstand von 1,5 m problemlos möglich. Ich fahre bis zum Hauptbahnhof und steige dort auf die Straßenbahn um. Im Zuge der Schulschließungen hat der Verkehrsverbund die Taktung auf Ferienmodus gestellt. Das bedeutet, dass die Straßenbahn nicht alle 6 Minuten fährt, sondern alle 20 Minuten. In dieser Zeit füllt sich der Bahnsteig, den Mindestabstand in der Straßenbahn einzuhalten war nicht möglich. // Sonja, aus Ehrenkirchen
Am Mittwoch, 11. März, hatten wir in unserem Dorfgemeinschaftshaus eine Sitzung des Bau-Wege-Umweltausschusses, dem ich angehöre. Im DGH waren etwa 15 Personen an diesem Abend. Dort wurde ich gemeinsam mit einigen anderen Ausschussmitgliedern mutmaßlich von unserem damaligen 2. stellvertretenden Bürgermeister infiziert. Wir haben uns damals zur Begrüßung schon nicht mehr die Hände gegeben. Aber zweieinhalb Stunden gemeinsam in einem Raum zu sitzen und miteinander zu sprechen hat offensichtlich für eine Ansteckung ausgereicht. Fast eine Woche später, am Dienstag, den 17. März, wurde die Coronainfektion des 2. stellvertretenden Bürgermeisters bekannt und alle Anwesenden und ihre im Haus lebenden Familienangehörigen wurden gesundheitsamtlich in häusliche Quarantäne geschickt. Ein Test bei mir fiel positiv aus. Wenige Tage später starb unser 2. stellvertretender Bürgermeister – 70 Jahre alt und krebskrank – an der Coronainfektion. // Matthias, aus Stolpe